Work Work Work

Die Portraitserie Work Work Work, in der das Missy Magazin regelmäßig hinter die Kulissen des Arbeitens blickt, hat uns von Anfang an bei der Festivalkonzeption begleitet. Nicht zuletzt, weil die Missy die Frage What People Do For Money (Divine Sounds) hin zu einem feministischen Wissen öffnet. An dieser Stelle geben Stella Gyamfi-Poku, Vendulka Cejchan, Tamara Große, Cemila Genç und Thais Ribeiro Jibaja Einblick in ihre je unterschiedlichen Berufe und Arbeitsrealitäten. Sie laden dazu ein, Frauen und ihre Berufe kennenzulernen und mitunter sich selbst zu fragen: Was gefällt dir an deinem Beruf? Was gefällt dir nicht so gut?

Sammlung Missy Magazin (c) Fanti Baum

Die Hausverwalterin

Tamara Große arbeitet als Hausverwalterin in Berlin.

Interview: Marie Serah Ebcinoğlu
Foto: Schore Mehrdju
Hausverwalterin: Tamara Große

Die Hausverwalterin (c) Schore Mehredu
(c) Schore Mehredu

Was gefällt dir an deinem Beruf ?
Ich liebe die Vielseitigkeit meiner Tätigkeit. Ich kümmere mich um Reparaturen, Abrechnungen, Vermietungen und Wirtschaftspläne. Außerdem begleite ich Sanierungsprojekte. Ich bin seit 1993 Hausverwalterin. Mittlerweile habe ich sogar meine eigene Gesellschaft. Ursprünglich habe ich Bauingenieurin gelernt. Meine Gesellschaft, bestehend aus zwanzig Kolleg*innen und mir, betreut heute insgesamt 110 Objekte. Mir gefällt der enge Kontakt mit verschiedenen Menschen. Einige Objekte betreue ich bereits seit 1993, die Kinder in diesen Häusern habe ich aufwachsen sehen. Das Thema Wohnen ist elementar für jede Person, mir gefällt es, daran lösungsorientiert zu arbeiten.

Was gefällt dir nicht so gut?
Was mich manchmal verzweifeln lässt, ist wenn Menschen denken, alles müsse sofort passieren. So zeigt man keine Wertschätzung für die Arbeit anderer, sie scheinen nicht an konstruktiven Lösungen interessiert zu sein. Aber beim Wohnen ist man nicht allein, hier ist Verständnis, Aufmerksamkeit und Toleranz gefragt. Zum Glück kommt das aber nicht so oft vor.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 05/19.

Die Buchrestaurateurin

Vendulka Cejchan wollte immer einen Job haben, bei dem sie intellektuell und händisch gefordert wird.

Interview: Sarah Keiluweit
Foto: Juliette Moarbes
Buchrestaurateurin: Vendulka Cejchan

Die Buchrestauratorin (c) Juliette Moarbes
(c) Juliette Moarbes

Wieso bist du Buchrestauratorin geworden?
Ich komme aus einer akademischen Familie, wollte aber schon immer einen Beruf, der mich sowohl intellektuell als auch händisch fordert.

Wie viel verdienst du?
Das kommt auf die Anzahl der Aufträge an. Ziel war, nie weniger zu verdienen als meine fest angestellten Kolleg*innen. Weil mir aber niemand Urlaubs- und Krankheitstage bezahlt, gelingt mir das nicht immer. Wie bei vielen Selbstständigen ist die Auftragslage phasenabhängig. Deswegen kann ich keine konkrete Zahl nennen. Ich selbst kann mich gut finanzieren, eine ganze Familie könnte ich aber nicht allein ernähren.

Was gefällt dir gut an deinem Beruf?
Die wahnsinnige Vielfalt: Ich arbeite oft alleine in meiner Werkstatt, für manche Projekte auch mit Kolleg*innen. Bei Ausstellungsaufbauten arbeite ich in größeren Teams. Dort müssen Bücher betreut, Zustandsprotokolle geschrieben und Stützkonstruktionen gebaut werden. Dazu kommt die Vielfalt an Objekten und Materialien, mit denen ich arbeite: unterschiedlichste Schriftstücke aus Papier, dazu Pergament, Leder, Metall, Holz und Textilien aller Art.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 03/20.

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin

Cemila Genç liebt es, sich um Patient*innen zu kümmern – obwohl Personalmangel herrscht.

Interview: Ulla Heinrich
Foto: Friederike Butter
Gesundheitspflegerin: Cemila Genç

Gesundheitspflegerin (c) Friederike Butter
(c) Friederike Butter

Was gefällt dir gut an deinem Beruf? 
Ich mag es, mit Menschen zu arbeiten. Das medizinische Fachwissen fasziniert mich. Mein Job ist sehr vielfältig, es gibt so viele verschiedene Bereiche in der Gesundheits- und Krankenpflege. Jeder Mensch ist anders und man lernt, mit den unterschiedlichsten Menschen und ihren individuellen Beschwerden umzugehen. Ich arbeite aktuell auf der Herzstation und komme bald auf die Notfallambulanz. Dort ist immer Action und du weißt nie, was dich erwartet. Ich möchte erst mal ein paar Jahre arbeiten, um Erfahrungen zu sammeln, und später vielleicht noch Pflegemanagement studieren.

Was gefällt dir nicht so gut an deinem Beruf? 
Der Job kann sehr undankbar sein. Die Hilfe, die wir bieten, wird teilweise nicht wertgeschätzt – von Patient*innen und von Ärzt*innen. Außerdem verliert man durch Schichtarbeit definitiv an Lebensqualität. Es ist bekannt, dass in der gesamten Pflege Personalmangel herrscht. Das ist schade, denn ich würde mich gern viel mehr um alle Patient*innen kümmern, aber dafür habe ich leider oft keine Zeit.

Die Schmuckdesignerin

Stella Gyamfi-Poku produziert Schmuck in ihrem Atelier und betreibt eine Agentur mit 15 Designer*innen.

Interview: Linda Peikert
Foto: Agata Guevara
Schmuckdesignerin: Stella Gyamfi-Poku

Schmuckdesignerin (c) Agata Guevara
(c) Agata Guevara

Was gefällt dir gut an deinem Beruf?
Ich habe das Unternehmen gegründet und so konzipiert, dass es zu mir passt. Ich arbeite zwar handwerklich-künstlerisch, aber die Kommunikation mit den Kund*innen ist mir auch wichtig. Gleichzeitig ist InJewels auch eine Schmuckagentur. Es gibt so viele tolle Schmuckdesigner*innen, die einfach mal was ganz anderes machen. Deshalb arbeite ich mit 14 Designerinnen und einem Designer zusammen. Ich vermarkte ihre Produkte, berate sie, mache den Onlineverkauf und individuelle Businessberatung. Ich bin ein Bindeglied zwischen den Designer*innen selbst, vernetze aber auch zwischen ihnen und den Kund*innen. Ich liebe meinen Job, weil er sehr abwechslungsreich ist.

Was gefällt dir nicht so gut an deinem Beruf?
Die Schmuckbranche in Deutschland ist alteingesessen. Das nervt mich und macht mich traurig. Wenn ich als junge Schwarze Frau in einer Branche, die hauptsächlich weiß, männlich und elitär ist, was Neues vorschlage, stehe ich oft vor verschlossenen Türen. Zum Glück gibt es immer Menschen, die offen für Innovation sind.

Dieser Text erschien zuerst in Missy 04/20.

Die Tischlerin

„Frauen haben in der Tischlerei eine lange Geschichte“

Interview: Anna Mayrhauser
Foto: Mirjam Klessmann
Tischlerin: Thais Ribeiro Jibaja

Tischlerin (c) Mirjam Klessmann
(c) Mirjam Klessmann

Wie bist du Tischlerin geworden?
Thais Ribeiro Jibaja: Ich habe die dreijährige Ausbildung in einer Werkstatt absolviert und einmal wöchentlich in der Berufsschule die Theorie gelernt. Ich wollte Tischlerin werden, weil es ein Beruf ist, mit dem ich auch reisen kann. Holz spricht eine internationale Sprache, und das Bedürfnis, daraus Sachen zu erzeugen, gibt es überall auf der Welt.

Wo arbeitest du?
Ich bin selbstständig und arbeite ab und zu als Bühnentechnikerin am Theater. Außerdem habe ich mit drei befreundeten Tischlerinnen ein Kollektiv gegründet. Wir lernen viel voneinander. Aufträge nehmen wir gemeinsam an und unterstützen uns gegenseitig. Im Moment habe ich keine eigene Werkstatt, sondern miete mich wochen- oder tageweise ineiner ein.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Ich kann mir meine Zeit selbst einteilen. Wenn ich mein nötiges Gehalt zusammenhabe, genieße ich meine freie Zeit.

Wie viele Stunden arbeitest du täglich?
Wenn ich arbeite, dann acht Stunden am Tag und etwa zwei Wochen im Monat Vollzeit.

Wie viel verdienst du?
Eine selbstständige Tischlermeisterin verdient etwa 35 Euro die Stunde. Ich verdiene weniger, weil ich Gesellin bin, aber es hängt von meiner Auftragslage ab. Eine Kollegin arbeitet festangestellt in Teilzeit und bekommt ein Fixgehalt, etwa tausend Euro netto im Monat.

Wie sind die Arbeitsbedingungen für Frauen in deiner Branche?
Frauen haben in der Tischlerei eine lange Geschichte, ich habe bei zwei Meisterinnen gelernt. Ich fühle mich besser, wenn Frauen dabei sind. Deshalb haben wir das Kollektiv gegründet – wir sind nicht alleine und geben uns Sicherheit, etwa wenn wir für einen Auftrag unterwegs sind. Die meisten Kund*innen freuen sich, wenn sie sehen, dass ich eine Frau bin. Am Theater habe ich aber nur Kollegen, die sind auch alle sehr nett. In der Jobausschreibung stand, Frauen würden bevorzugt. Das hat mich ermutigt. Ich finde es wichtig, dass Frauen in allen Branchen mehr repräsentiert werden. Eine inklusive Jobausschreibung kann viel dazu beitragen.

Dieser Artikel erschien zuerst in Missy Magazine 02/2017 und ist ein Beitrag aus der Rubrik „Work Work Work“ in der regelmäßig Frauen von ihrer Arbeit und ihren Arbeitsbedingungen erzählen.

 


Herzlichen Dank an Ulla Heinrich und das Missy Magazin für die Erlaubnis der Übernahme der Work Work Work-Reihe an dieser Stelle. 

www.missy-magazine.de