Tonspuren zur Linken

(c) Achim Lengerer

Tonausschnitte: Gespräche mit Peter Bach, Hasan Dogan und Sevtap Dogan über den Ford-Steik und die Nachwirkungen auf die folgenden Generationen; mit Rodoula Matziari über die Gruppe Kritische Migrant*innen; mit Laurenz Nurk, Anna Eberle, und Michael Banos über linken Aktivismus in Dortmund und mit Nesrin Tanç über die Arbeit der Schriftstellers Fakir Baykurt. Tonausschnitte aus Radioreportage: ‘Wilde Streiks bei Ford.’
 

1973 streikten auf dem Ford-Werksgelände in Köln-Niehl türkische, italienische und auch links organisierte deutsche Arbeiter*innen. Anlass für die Arbeitsniederlegung war die Entlassung von türkischen Arbeitskräften, die verspätet aus dem vierwöchigen Sommerurlaub zurückgekehrt waren. Zuvor war es möglich gewesen, den Arbeitsausfall durch Zusatzschichten nachzuholen, nun wurde den Betroffenen stattdessen fristlos gekündigt.

Der Ford-Streik ist nur eines von vielen Beispielen, wie politisch aktive, linke Migrant*innen und westdeutsch geprägte linke Gruppen in Köln und im Ruhrgebiet (Arbeits-)kämpfe führten und sich hierbei zwischen Städten vernetzt und in Gruppen organisiert haben. Diese komplexen Geschichten linker und solidarischer Politik sind im Bewusstsein der deutschen Mehrheitsgesellschaft kaum präsent. Tonspuren zur Linken spürt diesen Geschichten und ihren Nachwirkungen auf nachfolgende Generationen im Sinne einer „oral history“ nach, untersucht aber auch die Differenzen und die Nicht-Solidaritäten zwischen der westdeutschen und der organisierten migrantischen Linken und ihre Auswirkungen auf die aktuelle Verfasstheit der Linken.

Der hier veröffentlichte temporäre Mix aus den Tonspuren gibt Einblick in das weiter anwachsende Gesprächsarchiv und kombiniert teils bereits veröffentlichte mit noch unveröffentlichten O-Tönen – zum Ford-Streik in Köln, aber auch zu weiteren politischen Aktionen und Gruppen in den 70er, 80er und 90er Jahren im Ruhrgebiet: Wer macht die Regeln innerhalb einer politischen Gruppe, woran misst sich die Radikalität des Protests? Welche Stimmen, welche Zwischentöne werden im Plenum gehört? Und für wen gilt linke Solidarität?

Die Wertschätzung tatsächlicher Solidarität verbindet die Stimmen, die aus je eigener Perspektive über unterschiedliche Erfahrungen sprechen – genau wie die Enttäuschung und das Gefühl der Zurückweisung, wenn sich dieses linke Versprechen für sie nicht einlöst. Solidarität scheint sich für die Sprechenden eher in politisch oder parteiisch nicht organisierten Kontexten wiederzufinden, jenseits der Parteien, jenseits der Gewerkschaften, die sie als Programm propagieren: dort, wo Raum für neue, unerwartete Verbindungen, eigene Organisations- und Kommunikationsformen ist. In den Erzählungen findet sich beides: gelebte internationale / transnationale Solidarität innerhalb der Linken, wie auch absolute Trennung, Verweigerung eines Gemeinsamen. Dass ein solidarisches Eintreten gegen die Ungleichbehandlung der Arbeiter*innen aus der Türkei oder Italien bei Ford, aber auch in anderen politischen linken Gruppen, nur für relativ wenige selbstverständlich war, ist eine der verwirrenden Erkenntnisse, die sich beim tieferen Eintauchen in die Tonspuren einstellen können.

Tonspuren zur Linken


Während des Projektes der Urbane Künste Ruhr und „Memory Stations“ der Akademie der Künste der Welt, Köln, war Tonspuren zur Linken im Mai und Juni 2019 zu Gast im Rekorder 2 in Dortmund-Nord.

Text: Olivia Ebert