EB: Ich frage mich oft: Was verstehen wir dann eigentlich konkret darunter? Wenn eine feministische Bewegung sich als intersektional versteht, gibt’s da offensichtlich viel zu tun. Es gab schon lang Diskussionen über Mehrfachdiskriminierungen. Und sich über Differenzen hinweg zu vernetzen. Oder Differenzen gerade zum Anlass zu nehmen, sich zu treffen und zusammenzusetzen. Und ich denke, dass das für feministische Kämpfe hier in Bochum eine Aufgabe ist. Es gibt viele Leute, die Lust haben, aktiv zu sein. Das, was zumindest für mich eine Sichtbarkeit bekommt, ist oft weiß, cis-weiblich, akademisch dominiert. Wenn es hier darum geht, eine feministische Bewegung zu denken, die intersektional ist, dann braucht das viel Beziehungsarbeit. Gruppen müssen sich kennenlernen, Räume teilen. Es müssen Begegnungen stattfinden, die mehr sind als ein “Du darfst auf der Demo sprechen”. Ich glaube, das ist wirklich wichtig, dass es darum geht, andere Lebensrealitäten kennenzulernen und die als Teil eines möglicherweise gemeinsamen Kampfes gegen das Patriarchat zu verstehen. Das ist viel Arbeit.
JN: Zeit, Vertrauen.
JYK: Ich stelle mir auch immer vor, dass es eine Erweiterung oder auch Korrektur der eigenen Begriffspraxis ist. Ich merke schon, mit je mehr Gruppen ich mich beschäftige, desto stärker werden auch meine Kategorien kontrovers erweitert. Das finde ich interessant. Da ist eine produktive Spannung zu eurer Arbeit, die sehr stark mit einem Anspruch von Präzision und Sorgfalt und dadurch aber auch Sanftheit und Offenheit besteht. Wo dann auch die Frage ist, wie viel Zeit braucht es eigentlich, bis man es dann wirklich in der Qualität machen kann, sich zu popularisieren, wie man den Anspruch an die eigene Arbeit hat.
EB: Ich fand in der Recherche die Praxis des Mailänder Frauenbuchladens inspirierend. Die haben in den 70er Jahren ein Prinzip für sich entwickelt, das nennt sich affidamento: anvertraut sein. Dass immer zwei Frauen einander anvertraut sind, im Wissen um ihre Differenz. Und dass jede Frau ein Begehren nach einem Mehr hat, das in der anderen ist. Nach einem Wissen, das sie nicht hat. Dass das wirklich als eine Basis einer aktivistischen Struktur gedacht wird, diese langfristigen Beziehungen.
JYK: In diesem Sinne: wie geht’s weiter?
JN: Es gibt auf jeden Fall vermehrt den Wunsch, dass es weiter geht auf irgendeine Art und Weise, im Sinne von feministischen Vorträgen, oder hier haben ja schon vorher regelmäßig queere Kurzfilmabende stattgefunden. Und so lose gibt es Phantasien, mehr Gruppen zu gründen. Die Vergangenheit als Vorbild zu nehmen. Es ist ja unglaublich, wie viele Gruppen es früher gab. Also für jedes Anliegen eine spezifische Gruppe. Das klingt erst mal nicht schlecht.
EB: Sonst gibt’s für uns grad noch zwischenmenschlich und politisch was aufzuarbeiten. Auf einer der letzten Veranstaltungen gab es einen verbalen rassistischen Übergriff, der uns und anderen noch nachhängt. Wir möchten uns das Thema rassismuskritische Veranstaltungsorganisation nochmal stärker vornehmen. Weil da klar wurde, dass es da noch Fortbildungsbedarf gibt.
JYK: Und die Ausstellung, wird die denn noch mal irgendwo zu sehen sein? Wo ist sie jetzt?
EB: Die ist abgebaut. In einer Kiste im Keller. Wir wurden schon zwei Mal gefragt, ob die sich woanders nochmal aufbauen lässt. Ich versteh’ die Ausstellung auf jeden Fall als ortsspezifische Ausstellung, die mit dem Raum hier zusammenhängt, mit dem Ort, mit der Nachbarschaft. So haben wir die gedacht und konzipiert. Die woanders hin zu verpflanzen, sei es jetzt nach Duisburg oder ins Stadtarchiv in Bochum, würde für mich nicht so viel Sinn ergeben. Es ist eher interessant zu gucken, wer will wo was machen. Und inwiefern ist es sinnvoll, dass wir uns mit der Erfahrung, die wir gemacht haben, daran beteiligen.
JN: Und es gibt ja diese Stadtkarten von Bochum, die haben wir gemacht, die kann man verteilen, und ich finde, die ist auch schon mal sehr viel wert. So als Beweismaterial für die feministische Verschwörungstheorie. Endlich hab ich’s gesagt! Bergbau gab’s hier gar nicht. Darüber müssen wir auch mal reden.
EB: Hi Flo!
Flo: Kann man reinkommen?
EB: Ja, komm rein! Wir machen grad ein Interview.
JYK: Aber es ist jetzt auch zu Ende, wenn ihr nichts mehr dringend loswerden wollt.
JN: Nee, das mit der feministischen Verschwörungstheorie, das war mir wichtig.
EB: Phantastisch!
JYK: Danke euch für das Gespräch.